CHRONIK DER JÜDISCHEN SCHULE GUDENSBURG

1895/96

Mit dem 1. Oktober 1894 trat der bisherige Inhaber der hiesigen Lehrer- und Vorsingerstelle, Herr Blach, wegen eines Halsleidens in Pension und verzog nach Halberstadt.

Während der Vakanz wurde der Seminarist Markus aus Neustadt, Zögling des Kasseler Lehrerseminars, vom 15. November 1894 bis zum 31.12. des J.(ahres) mit dem Unterricht an der isr. Elementarschule und Versehung des Gottesdienstes betraut.

Am 1. Januar 1895 erhielt die hiesige Lehrer- und Vorsängerstelle laut Verfügung königl. Regierung den Lehrer Perlstein, seither Lehrer an der Elementarschule in Zwesten. Der erste Unterricht begann bei demselben Sonntag, den 6. Januar.

Schülerzahl

Nach der von Herrn Blach geführten Schülerliste wurde die Schule für das Schuljahr 1894/95 von 45 Schülern besucht, die sich aus 22 Knaben und 23 Mädchen zusammensetzten. Da im Laufe des Schuljahres Herr Blach mit zwei schulpflichtigen Kindern verzog, und außerdem ein dritter Schüler eine auswärtige Schule besuchte, war der Bestand am Schluß des Schuljahres 43 Schüler. Die Sommerferien dauerten vom 27. Juli bis 17. August, die Herbstferien vom 26. September bis 22. Oktober.

Schulfeiern

Außer den üblichen nationalen Gedenktagen wurde in diesem Jahr die Jubelfeier der 25. Wiederkehr des Sedantages in besonders festlicher Weise begangen. Nachdem am Morgen des 1. September die Schulkinder auf die besondere Bedeutung des Tages aufmerksam gemacht wurden und die Schulfeier wie alljährlich vor sich ging, versammelten sich Schüler und Lehrer nachmittags auf dem alten Kirchhof, daselbst Herr Superinirendent Hebel eine patriotische Festrede hielt. Am Nachmittag des 2. Sept. vereinigten sich die jüdischen Schüler mit den christlichen zu einer öffentlichen Schulfeier auf dem Lammesberge. Auch der 18. Januar 1896, als die 25. Wiederkehr der Kaiserkrönung zu Versailles wurde durch eine Schulfeier in besonderer Weise ausgezeichnet.

Wasserleitung

Mitte Januar 1896 wurde das Schulhaus an das städtische Wasserleitungsnetz angeschlossen. Zwei Kräne, einer in der im Parterre gelegenen Waschküche für die Schüler und einer in des Lehrers Küche angebracht, zum unentgeltlichen Gebrauch für den Lehrer bestimmt, liefern das erforderliche Wasser.

Gebietsveränderung

Der Inhaber der Lehrer- und Vorbeterstelle bezog bis jetzt ein Gehalt von M 960 – bei freier Dienstwohnung und 90 M für Feuerungsentschädigung. Auf eine Eingabe des Lehrers an Königliche Regierung, die derselbe damit motivierte, daß der isr. Lehrer dasselbe Maß der Arbeit zu leisten habe wie auch der christliche, und zudem für den anstrengenden Vorbeterdienst keine Vergütung erhalte, verfügte Königliche Regierung vom 2. Dezember 1895, daß, nachdem sich auch die isr. Gemeinde damit einverstanden hatte, den isr. Lehrer mit den städtischen geistlichen Lehrern im Gehalte gleichzustellen, für denselben die bei den städtischen Schulen eingeführte Gehalt in Anwendungzu bringen sei.

Prüfungen

Den 24. September 1895 unterzog Herr Sup.in. Hebel als Lokalschulinspektor die Schule einer Prüfung. Am 24. Januar 1896 prüfte die Schule Herr Kreisschulinspektor Pfarrer Stolzenbach aus Obervorschütz.

Schluß des Schuljahres Schülerzahl

Von Ostern 1895 ab wurde die Schule von 43 Schülern besucht. Mosel Appel, Sohn des Metzgers Appel zu Borken besuchte die Schule vom 25. VIII. bis 24. XI. 95. Nachdem zwei Schüler im Laufe des Schuljahres in auswärtige Schulen übertreten, zählt die Schule noch nach Abgang von 4 Schülerinnen zu Ostern 1896 36 Schüler. Mit dem 2. April 1896 schloß das Schuljahr.

Schuljahr 1896/97

Das neue Schuljahr 1896/97 begann am 6. April. Es wurden vier Schüler neu aufgenommen, so daß die Schule Ostern 1896 einen Bestand von 40 Schülern aufweist.

Verlegung der Unterrrichtszeit

Bisher begann der Unterricht im Sommerhalbjahr morgens um 7 Uhr; 6 der 32 wöchentlichen Unterrichtsstunden wurden in den Nachmittagsstunden von 2 – 4 Uhr am Montag, Dienstag und Donnerstag erteilt.

Laut Anordnung des Herrn Lokalizspektors Sup(erintendent) Hebel wurden sämtliche Unterichtsstunden, damit der Nachmittagsunterricht während des Sommerhalbjahres ausfalle, in die täglichen Unterrichtstage von früh 7 – 12 Uhr verlegt. Nur 2 Turnstunden wurden für den Nachmittag beibehalten.

Prüfungen

Den 17. Juli 1896 unterzog Herr Regierungs- und Schulrat Dr. Otto, Cassel, die Schule einer Prüfung. Am 8. März 1897 fand Lokalschulinspektion durch Herrn Metropoliten Braunbof, Gudensberg und am 1. April Kreisschulinspektion statt.

Wechsel in der Lokalschulinspektion

Herrn Sup(erintendent) Hebel, dem bisherigen Lokalschulinspektor, welcher mit Monat November 1896 die Pfarrstelle in Felsberg erhielt, folgte Herr Metropolien Braunhof, bisher Pfarrer in Balhorn, als Lokalschulinspektor der isr. Schule.

Schulfeiern

Außer den alljährlichen patriotischen Gedenktagen wurden besonders die Tage am 21., 22., 23. März 1897 als Feier für den hochseligen Kaiser Wilhelm I. gefeiert. Am 21. März fand im Beisein sämtlicher Schulkinder eine synagonale Feier statt. Am 25. März vereinigten sich die jüdischen Schüler mit den christlichen zu einer Schulfeier am Kaiser Wilhelmdenkmal auf dem Nacken.

Schluß des Schuljahres

Mit dem 12. April 1897 selzloß das Schuljahr. Es wurden ein Schüler und vier Schülerinnen entlassen. Zwei Schüler traten in auswärtige höhere Schulen ein. Die Frequenz nach Schluß des Schuljahres betrug 33 Schüler.

Schuljahr 1897/98

Das neue Schuljahr begann am 26. April 1897. Mit den neu aufgenommenen Schülern beträgen die Zahl derselben 39;

Abt. I

9 Knaben

8 Mädchen =

17 Schüler

Abt. II

4 Knaben

8 Mädchen =

12 Schüler

Abt. III

4 Knaben

6 Mädchen =

10 Schüler

Prüfungen

Den 24. August visitierte Herr Provinzialrabbiner Dr. Prager, Kassel den Religionsunterricht. Den 28. März fand Schulprüfung durch Herrn Lokalschulinspektor Metropoliten Braunhof hier und am 31. März Prüfung durch den K-eissehulinspektor Herrn Pfarrer Stolzenbach statt.

Das neue Schuljahr begann ziC dem 26. April 1897. Es wurden fünf neue Schüler aufgenommen und nachdem mit dem 1. August noch eine auswärtige Schülerin hinzukam, zeigte die Schule einem Bestand von 39 Schülern.

Höhere Privatschule

Ostern 1897 wurde durch Herrn Metropoliten Braunhof hier eine höhere Privatschule, sogenannte Lateinschule gegründet, umfassend Sexta, Quinta und Quarta, an welcher der isr. Lehrer wöchentlich 4 Stunden Rechenunterricht in Sexta und Quinta erteilt.

Verlegung der Sommerferien

Auf Antrag des Herrn Lokalschulinspektors genehmigte Königl. Regierung, die Sommerferien. welche in Zukunft vier Wochen dauern sollen, in den Monat Juli zu verlegen und begannen im Schuljahr 1897/98 die Sommerferien am 3. Juli und dauerte bis zum 2. August.

Neues Besoldungsgesetz

Das Schuljahr 1897/98 brachte das von den Lehrern seit Jahren ersehnte Lehrerbesoldungsgesetz. Die Regulierung des Lehrergehaltes der hiesigen isr. Lehrerstelle ging glatt von statten. Nach dem neuen Lehrerbesoldungsgesetz vom 3. März 1897 setzte Königliche Regierung das Grundgehalt der isr. Lehrerstelle auf 1200 M, während der Einheitssatz der Alterszulage 14o M. betragen sollte. Analog den städtischen Körperschaften erhöht die Gemeinde die Alterszulage auf 150 M.; die Dienstwohnung wurde in der neuen Kompetenz mit 180 M. veranschlagt. Das Höchstgehalt des Lehrers beträgt niernach nach 31 Dienstjahren 1200 M. + 9x 150 M.= 1350 M. und 18o M = 2730 M. Der Vorsängerdienst wurde leider nicht bezahlt.

Schulprüfungen

Den 24. August. 1897 fand eine Prüfung der religiösen Fächer durch Herrn Provinzialrabbiner Dr. Prager, Cassel statt. Den 28. März 1898 fand Lokalschulinspektion durch den Lokalschulinspektor Herrn Metropoliten Braunhof dahier und am 31. März Kreisschulinspektion durch den Kreisschulinspektor Herrn Pfarrer Stolzenbach, Obervorschütz statt. – Das Schuljahr schloß am 4. April mit der Zulassung von 5 (gestrichen4) Knaben und 1 Mädchen, so daß der Bestand der Schule bei Schluß des Schuljahres, nachdem am 6. März 2 Schülerinnen in das isr. Waisenhaus nach Kassel kamen, und. 1 Schüiler zur Realschule nach Kassel überging, 30 Schüler betrug.

1898/99

Das neue Schuljahr begann mit dem 18. April 1898. Durch Aufnahme 3 neuer Schüler und Zugang drei auswärtiger Schüler zeigte die Schule im Schuljahr 1898/99 einen Bestand von 36 Schülern.

Am 18. Januar 1899 prüfte Herr Lokalschulinspektor Metropolit Braunhof die Schule. Die Kreisschulinspektion fiel in diesem Schuljahr wegen Krankheit des Herrn Kreisschulinspektors Pfarrer Stolzenbach zu Obervorschütz aus.

Das Schuljahr schloß mit dem 24. März 1899. Es wurden 3 Knaben und fünf Mädchen entlassen. Der Bestand der Schule reduzierte sich also bei Schluß des Schuljahres auf 28 Schüler.

Schuljahr 1899/1900

Das Schuljahr begann mit dem 9. April. Durch Aufnahme vier neuer Schüler hatte die Schule einen Bestand vor 32 Schülern.

Am 2. Kai visitierte Herr Regierungs- und Schulrat Dr. Schneider, Cassel die Schule.

Am 1. Mai legte Herr Pfarrer Stolzenbach, Obervorschütz sein Amt als Kreisschulinspektor der Klasse Gudensberg nieder. Grund: Hohes Alter. Herr Metropolitan Braunhof dahier wurde Nachfolger desselben.

Die amtliche Lehrerkonferenz der Klasse Gudensberg fand am 19. Juni statt. Lehrer Perlstein hatte das Referat: Raumlehre in der Volksschule. Sommerferien vom 9. bis 29. Juli.

Am 15. Juli wurde die Kleinbahn Gudensberg-Grifte eröffnet. Zur Eröffnungsfeier hatte die isr. Schule vom hiesigen Stadtrat eine Einladung erhalten und derselben auch Folge geleistet.

Der Jahrhundertfeier und der patriotischen Gedenktage wurden eingehend gedacht.

Den 27. März unterzog Herr Lokal- und Kreisschulinspektor Metropolitan Braunbof dahier die Schule einer Prüfung.

Das Schuljahr schloß mit dem 10. April. Drei Schülerinnen verließen die Schule. Eine Schülerin war im Laufe des Schuljahres mit ihren Eltern nach Cassel verzogen. Der Bestand der Schule bei Schluß des Schuljahres betrug 28 Schüler.

Schuljahr 1900/1901

Das neue Schuljahr begann am 28. April. Es wurden drei Schüler neu aufgenommen. Die Klasse setzt sich zusammen

Abt. I

5 Mädchen

6 Knaben =

11 Schüler

Abt. II

5 Mädchen

4 Knaben

9 Schüler

Abt. III

3 Mädchen

8 Knaben

11 Schüler

Schulprüfungen

Den 6. Dezember Lokalschulinspektion durch Herrn Metropoliten Braunhof hier; 1. April Kreisschulinspektion durch denselben.

Feier patriotischer Gedenktage

Neben der Sedan- und Kaisergeburtstagsfeier wurde am 18. Januar 01 die Zweihundertjahrfeier der ersten preußischen Königskrrönung

in patriotischer Weise gefeiert und der Schule das für diesen Tag gewidmete Kaiserbild vom Kreise aus überwiesen. Das Schuljahr endete am 29. März. Da 5 Schüler die Schule verließen, beträgt die Schülerzahl 26..

Schuljahr 1901/02

Das Schuljahr begann am 12. April 19o1; 2 Schüler wurden neu aufgenommen, der Bestand dem Schule ist 28 Schüler;

Abt. I

3 Knaben

5 Mädchen =

8 Schüler

Abt. II

8 Knaben

5 Mädchen =

13 Schüler

Abt. III

5 Knaben

2 Mädchen =

7 Schüler

Wegen Masern und Scharlachepedemie blieb die Schule auf Veranlassung des Herrn Lokalschulinspektors vom 20. Mai bis zum

5. Juni geschlossen. Schluß des Schuljahres am 28. März 19o2.

Da Herr Lokal- und Kreisschulinspektor Metropolitan Braunhof nach Rinteln versetzt wurde, fiel die Schulvisitation, die gewöhnlich vor Ostern stattfand, aus. An dessen Stelle trat im Jahre 19o2 Herr Pfarrer Altmüller, Geismar und erhielt die Lokal- und Kreisschulinspektion der isr. Schule.

Bei Schluß des Schuljahres blieben noch , da 5 Schüler die Schule verlassen hatten, 23 Schüler.

Schuljahr 1902/03

Das neue Schuljahr begann am 6. April. Neu aufgenommen wurden 8 Schüler, so daß die Schülerzahl 31 beträgt.

Schulprüfungen

Den 15. Januar 1903 prüfte Herr Landrabbiner Dr. Prager, Cassel den Religionsunterricht; den 25. März fand Kreisschulinspektion durch Herrn Metropolitan Altmüller hier statt; das Schuljahr schloß den 7. April. Die patriotischen Gedenktage, Sedan und Kaisergeburtstag wurden in hergebrachter Weise gefeiert. Es wurden drei Schüler entlassen; die Frequenz beträgt noch 28 Schüler.

Schuljahr 1903/04

Das neue Schuljahr beginnt mit dem 20. April; 2 Schüler wurden neu aufgenommen; die Schülerzahl pr. 1903/04 beträgt 30 Schüler.

Schulprüfungen

Den 24. Februar 1904 fand Schulvisitation durch Herrn Metropoliten Altmüller hier statt; Schluß des Schuljahres 29. März. Entlassen wurden 4 (3 gestrichen) Schüler.

Schuljahr 1904/05

Das Schuljahr beginnt mit dem 11. April, da nur eine neue Schülerin aufgenommen sinkt die Schülerzahl auf 27.

In Abteilung I

sitzen

4 Mädchen und

8 Knaben

In Abteilung II

sitzen

4 Mädchen und

7 Knaben

In Abteilung III

sitzen

3 Mädchen und

1 Knabe

 

 

11 Mädchen und

16 Knaben

Leider macht sich mit jedem Jahr ein größerer Rückgang der Schülerzahl bemerkbar; eine Folge des Fortziehens mancher Familien einesteils, anderenteils veranlaßt durch das Bestreben mancher Eltern, ihre Kinder einer höheren Schule zuzuführen.

Die Arbeit für den Lehrer wird dadurch, abgesehen von Korrekturen nicht wesentlich leichter, aber undankbarer.

Die alljährliche Kreisschulvisitation fand am 30. März durch Herrn Kreisschulinspektor Metropolitan Altmüller dahier statt. Das Schuljahr schloß mit dem 5. April. Entlassen wurden 7 Schüler.

Schuljahr 1905/06

Mit dem 1. Kai beginnt das neue Schuljahr. Aufgenommen wurden zwei neue Schüler, so daß die Schülerzahl 22 beträgt. Es sitzen

In Abteilung I

2 Mädchen

5 Knaben

In Abteilung II

4 Mädchen

7 Knaben

In Abteilung III

2 Mädchen

2 Knaben

 

8 Mädchen

14 Knaben

Die jüdische Schule Hessens hat im Schuljahr den Tod des Herrn Landrabbiner Dr. Prager zu beklagen. Derselbe nahm am jüdischen Schulleben Hessens dem regsten Anteil. Seine Schulvisitationen zeigten auf den ersieht Blick den erfahrenem Pädagogen, der auf Herz und Gemüt einzuwirken verstand und besoners die Liebe zum angestammten Glauben in den jugendlichen Herzen anzufachen verstand wie kein zweiter. Sein Urteil über die Leistungen der Lehrer waren gerecht und wahr. Den Lehrern war er ein guter Berater, dessen Herz warm für ihr Wohl und Weh schlug. Die Liebe und Anerkennung der gesamten hessischen Lehrer zeigte sich bei der Beerdigung 10. Oktober 1905. Dieselbe war fast vollständig vertreten. Sein Andenken wird für alle Zeile ein Gesegnetes sein. Nachfolger als Landrabbiner wurde Herr Dr. Doktor, bisher Rabbiner in Bruchsal, Großherzogtum Baden. Möchte er Lehrern und Schule dasselbe warme Interesse entgegenbringen.

Am 9. Mai wurde der hundertjährige Todestag des großen Dichters Schillers durch Gesang und Deklamation Schillerscher Gedichte in angemessener Weise gefeiert.

Prüfungen

Am 10. November unterzog Herr Regierungs- und Schulrat Martin, Cassel die Schule einer Prüfung; am 2. April 1906 prüfte Herr Metropolitan Altmüller hier die Schule.

Neben den alljährlich gefeierten patriotischen Gedenktagen wurde besonders der 27. Februar als Tag der Silberhochzeit unseres erhabenen Kaiserpaares durch eine besondere Schulfeier in patriotisch-festlicher Weise ausgezeichnet.

Das Schuljahr schloß mit dem 6. April. Entlassen wurden 3 Schüler.

Schuljahr 1906/07

Das neue Schuljahr beginnt mit dem 23. April. 6 neue Schüler, 3 Knaben und drei Mädchen wurden aufgenommen, so daß die Schülerzahl im neuen Schuljahr 23 beträgt, und zwar

In Abteilung I

2 Mädchen

3 Knaben

In Abteilung II

6 Mädchen

6 Knaben

In Abteilung III

3 Mädchen

5 Knaben

 

11 Mädchen

14 Knaben

Die alljährliche Kreisschulinspektion fand am 1. März 1907 durch den Herrn Kreis- und Lokalinspektor, Metropolitan Altmüller dahier statt. Mit dem 26. März schloß das Schuljahr. Entlassen wurden 5 Schüler. Die Dienstwohnung des Lehrers wurde auf Antrag desselben durch einstimmigen Gemeindebeschluß an die elektrische Leitung angeschlossen. Es möge an dieser Stelle zugleich auf die hauptsächlichen baulichen Veränderungen hingewiesen werden, die auf Beantragung des derzeitigen Lehrers in der Lehrerdienstwohnung vorgenommen wurden. Bei Antritt der Stelle (1.1.95) befand sich die Wohnung zum Teil in einem sehr baufälligen Zustande. Das Dach wurde umgelegt, der Boden erhielt einen Lehmboden und neue Dachschotten, ein neuer Schornstein wurde gebaut. Ein großer Übelstand war die verkehrte Abortanlage, deren Abänderung und Verlegung aus sanitären Gründen erfolgen mußte. Die Küche wurde vergrößert und manch andere praktische Veränderung getroffen, so daß der bauliche Zustand der Wohnung gegenwärtig ein guter ist, wobei natürlich zu bemerken ist, daß die Wohnung viel zu klein und für eine große Familie gänzlich ungenügend wäre. Der Mietwert derselben ist mit 180 M. veranschlagt, während der Wohnungswert der christlichen Wellen kompetenzmäßig 250 M. beträgt. Auch in der Schule wurden manche Veränderungen getroffen. Dieselbe wurde 1899 neu gedielt. Der alte Ofen, nur für Holzbrand eingerichtet, durch einen praktischeren Kohlenofen ersetzt, ein neues Schulpult angeschafft, und in den letzten zwei Jahren die alten unpraktisches Schulbänke durch vier neue ergänzt. Die beiden Schulaborte wurden ebenfalls gänzlich umgebaut. Entlassen wurden 5 Schüler.

Schuljahr 1907/08

Das Schuljahr 1907/08 begann mit dem 8. April. Neu aufgenommen wurden ein Knabe und ein Mädchen, so daß die Schülerzahl 22 beträgt und zwar sitzen in

Abteilung I

5 Mädchen und

3 Knaben =

8 Schüler

Abteilung II

2 Mädchen und

4 Knaben =

6 Schüler

Abteilung III

4 Mädchen und

4 Knaben =

8 Schüler

 

11 Mädchen und

11 Knaben =

22 Schüler

Visitationen

Den 27. Februar 1908 wurde der Religionsunterricht sowie die mit demselben zusammenhängenden Fächer durch den Herrn Landrabbiner Dr. Doktor visitiert. Die Prüfung wurde dadurch beeinträchtigt, daß zur selben Zeit im Scherbacber Ökonomiegebäude Feuer ausgebrochen qR und dadurch die Aufmerksamkeit und nötige Ruhe sehr beeinträchtigt wurde. Am 30. März 1908 fand die alljährliche Visitation des Herrn Kreisschulinspektors Metropolitan Altmüller hier statt.

Die patriotischen Gedenktage wurden in hergebrachter Weise gefeiert. Der Einheitssatz der Alterszulage des isr. Lehrers, der bisher 150 M. betrug, wurde analog dem Einheitssatz der städtischen christlichen Lehrer auf 180 M. erhöht. Das Schuljahr schloß mit dem 13. April 1908. Entlassen wurden drei Schüler, 1 Mädchen, 2 Knaben.

Schuljahr 1908/09

Das Schuljahr 1908/09 begann am 27. April. Neu aufgenommen wurde ein Mädchen. Die Schülerzahl beträgt 20. Es sitzen in

Abteilung I

5 Mädchen

3 Knaben

Abteilung II

4 Mädchen

5 Knaben

Abteilung III

2 Mädchen

1 Knabe

 

11 Mädchen

9 Knaben

Eine Schülerin, Jenni Perlstein aus Meimbressen besuchte, da ihr Lehrer im November 08 verstorben, die hiesige Schule vom 15.Nvbr. – 1. April 09. Am 17. und 19. Juni 09 (Anm.: muß 08 heißen) fiel der Unterricht von morgens 10 Uhr ab wegen großer Hitze aus. Die patriotischen Gedenktage, Sedanfeier und Kaisergeburtstagsfeier wurden als Schulfeiern festlich begangen.

Die gewöhnlich vor Ostern stattfindende Visitation durch den Herrn Lokal- und Kreisschulinspektor Metropolitan Altrnüller hier mußte wegen längerer Krankheit des letzteren ausfallen. Das Schuljahr schloß mit dem 4. April 09. Entlassen wurden eine Schülerin und ein Schüler. – Zum deutschen Lehrertag in Dortmund Pfingsten 19o8 war Lehrer Perlstein seitens des Bezirks u.Kreis Gudensberg delegiert worden.

Schuljahr 1909/10

Der erste Schultag im neuem Schuljahr begann am 19. April. Neu aufgenommen wurden 2 Mädchen und 1 Knabe. Von den aufgenommenen Mädchen besuchte eines, Emme Plaut, Tochter des Isaac Plaut in Obervorschütz bereits ein Jahr die Volksschule zu Obervorschütz. Zwei Knaben und ein Mädchen nahmen, da sie die Ostern 1909 neu gegründete höhere Privatschule besuchten, nur am Religionsunterricht teil. Ein Schüler, der bereits von Ostern – Herbst gleichfalls die höhere Privatschule besuchte, kam auf die Jakobsohnschule nach Seesen. Die Schülerzahl betrug außer drei Religionsschülern 17 Schüler.

Abteilung I

3 Mädchen

1 Knabe

Abteilung II

5 Mädchen

4 Knaben

Abteilung III

3 Mädchen

1 Knabe

 

11 Mädchen

6 Knaben

Schulvisitationen fanden statt: Am 10. März 1910 durch Herrn Metropolitan Altmüller hier; am 15. März 1910 durch Herrn Landrabbiner Dr. Doktor in Cassel. Das Schuljahr schloß mit dem 20. April. Entlassen wurden 4 Schülerinnen und außer dem in die Jakobsobnschule übergetretenen Schüler noch ein Religionsschüler. Neben der Synagoge, die vollständig renoviert und mit elektrische Licht versehen wurde, erhielt auch das Schulzimmer ein neues Gewand. Während der synagogalen Renovierungsarbeiten wurde der Wochen- und sabbatliche Gottesdienst im Schulzimmer abgehalten. Das Gesetz über das Diensteinkommen der Lehrer an öffentlichen Volksschulen vom 26. Mai 1909 kam im Schuljahr zur Ausführung. Absatz 5 des § 6 Vergütung des Vorsängerdienstes, der mit dem Schulamt organisch verbunden ist, harrt noch seiner Erledigung.

Schuljahr 1910/11

Am 4. April 1910 begann das neue Schuljahr. Aufgenommen wurde 1 Mädchen. Die Schülerzahl betrug im laufenden Schuljahr einschließlich zweier Religionsschüler, die die hiesige Realvorbereitungsschule besuchen, sechzehn.

Abteilung I

1 Knabe

 

 

Abteilung II

4 Knaben

4 Mädchen

Zwei Religionsschüler

Abteilung III

1 Knabe

4 Mädchen

 

 

6 Knaben

8 Mädchen

= 14 Schüler

Am 30. März unterzog Herr Lokalschulinspektor Metropolitan Altmüller hier die Schule einer Prüfung. Außer den alljährlich, gefeierten patriotischen Gedenktagen fand am 15. August 1910 zur Erinnerung an den hundertjärigen Todestag von Preußens großer Königin Luise eine Luisenfeier statt. Das Schuljahr schloß mit dem 11 April 1911. Entlassen wurde 1 Schüler. Paragraph 6 Absatz 5 des Gesetzes über das Diensteinkommen der Lehrer an öffentlichen Volksschulen gelangte im Schuljahr mit rückwirkender Kraft vom 1 April 1910 ab zur Ausführung. Nach Anordnung der kompetenten Behörden wurde die Vergütung für den Vorsängerdienst mit M. Dreibundert p.a. festgesetzt und seitens der Gemeinde durch Gemeindebeschluß anerkannt. Die sogenannten Mischeberachgelder fallen in die Gemeindekasse. Der derzeitige Vertreter der Lehrer- und Vorsängerstelle (B. Perlstein) bezieht demnach an Grundgehalt 1400 + 300 = 1700M. und nach § 6 des Gesetzes vom 26. Mai 1909 eine Amtszulage von 100 M. außer den gesetzlich festgelegten Alterszulagen.

Schuljahr 1911/12

Am 23. April 1911 begann das neue Schuljahr. Neu aufgenommen wurden 5 Knaben, so daß die Schülerzahl des laufenden Jahres

17 beträgt. Davon kommen 6 Schüler auf die Oberklasse, 4 Schüler auf die Mittelklasse und 7 Schüler auf die Unterklasse. Außerdem nehmen drei Schüler, die die hiesige Realvorbereitungsschule besuchen, am Religionsunterricht teil.

Am 26. Februar 1912 fand Schulvisitation durch den Herrn Kreisschulinspektor Pfarrer Bildner zu Elben statt, während die religiösen Fächer am 21. März 1912 durch den Herrn Landrabbiner Dr. Doktor zu Cassel inspiziert wurden. Die patriotischen Gedenktage, Sedanstag und der Geburtstag S.M. des Kaisers wurdesn in herkömmlicher Weise gefeiert. Das Schuljahr schloß mit Gern 31. März. 1912 Außer einem Religionsschüler wurde kein weiterer Schüler entlassen. Hitzefrei war Montag der 14. August von 10-12. Überhaupt zeichnete sich der Sommer 1911 durch große Hitze und Wärme aus.

Schuljahr 1912/13

Der Unterricht im neuen Schuljahr begann am 15. April. Neu aufgenommen wurden zwei Knaben und ein Mädchen. Letzteres (Regine Lilienfeld) mußte, da es geistig und körperlich zurückgeblieben, am 6. Mai wieder entlassen werden. Die Schülerzahl beträgt 17.

Am Religionsunterricht nahmen 2 Mädchen und ein Knabe teil, welche die höhere Realvorbereitungsschule besuchen. Ein Gesuch des Lehres an den hiesigen Magistrat für Erteilung des Religionsunterrichts der isr. Schüler der hiesigen Realvorbereitungsschule dem isr. Lehrer eine Vergütung von 25 M. pro Schüler und Jahr zu gewähren, wurde abschläglich beschieden, mit der Motivierung, daß die hiesige Realvorbereitungsscbule evangelischen Charakters sei und die Eltern derjenigen israel. Schüler, welche die Realvorbereitungsschule besuchen, für dem isr. Religionsunterricht zu sorgen hätten. Neben den patriotischen Feiern von Kaisers Geburtstag und Sedansfeier wurde am 10. März die Jahrhundertfeier zur Erinnerung an das glorreiche Jahr nationaler Erhebung und Begeisterung 1813 in der Schule in festlicher Weise begangen, nachdem bereits am vorhergehenden Tage eine Synagogenfeier stattgerunden hatte. Eine Visitation fand im Schuljahr 1912/13 nicht statt. Bei Schluß des Schuljahres, am 18 März wurde ein Knabe entlassen.

Schuljahr 1913/14

Der Unterricht im neuem Schuljahr begann am 31. März. Neu aufgenommen wurden sechs Schüler, vier Mädchen und zwei Knaben. Eine Schülerin, Paula Katz aus Hünfeld , wird im Herbst der hiesigen Schule überwiesen. Der Bestand weist neben drei Religionsschülern, welche die hiesige Realvorbereitungsschule besuchen, 23 Volksschüler auf und zwar 11 Mädchen und 12 Knaben.

Es kommen auf Abteilung I

3 Mädchen

3 Knaben

= 6 Schüler

Es kommen auf Abteilung II

4 Mädchen

4 Knaben

= 8 Schüler

Es kommen auf Abteilung III

4 Mädchen

5 Knaben

= 9 Schüler

 

11 Mädchen

6 Knaben

23 Schüler

 Neben den üblichen patriotischen Gedenktagen (Kaisers Geburtstag und Sedanstag) wurde der 16. Juni als der Tag des 25-jährigen Regierungsjubiläums Sr. Majestät, des Kaisers in besonders patriotisch-festlicher Weise gefeiert. Nachdem bereits am Morgen eine vaterländische Schulfeier stattgefunden, fand am Nachmittag eine Synagogenfeier statt, an welcher sich die gesamte israel. Gemeinde beteiligte. Eine patriotisch-religiöse Ansprache des Lehrers, sowie vorgetragene Chöre gestalteten dieselbe zu einer ernst erhebenden. An einer an folgenden Tag auf dem Lamsberg veranstalteten Schulfeier der Stadtschule beteiligte sich auch die israel Schule.

Der 18. Oktober als der hundertste Gedenktag der Leipziger Völkerschlacht wurde sowohl in Schule als Synagoge in entsprechend patriotischer Weise gefeiert.

Am 9. Februar 1914 fand eine Prüfung der religiösen Feier durch den Landrabbiner HerrnDr. Doktor zu Cassel statt und am 25. März fand Schulvisitation durch den Herrn Metropolitan Altmüller hier statt.

Das Schuljahr schloß mit dem 3. April. Entlassen wurden eine Schülerin, zwei Schüler und zwei Religionsschülerinnen.

Schuljahr 1914/15

Kaum hatte ich am 3. April 1914 das alte Schuljahr beendet, mußte ich sogleich wegen einer starken Erkältung das Bett hüten. Ich bekam eine starke Lungenentzündung. Die Krisis trat in der Nacht vom 9. zum 10. April ein und wandte sich mit Gottes gütiger Hilfe zum Guten. Schon nach acht Tagen durfte ich das Bett verlassen. Zu meiner Erholung erhielt ich von Königl. Regierung einen vierwöchigen Urlaub, den ich auf ärztlichen Rat in Bad Soden im Taunus verbrachte. Zu den Badekosten erhielt ich von Königl. Regierung eine Subvention von 12o M. Während meiner Beurlaubung besuchten die Kinder der israel. Schule die hiesige Stadtschule. Am 8. Juni konnte ich G.s.D. den Unterricht wieder beginnen.

B. Perlstein

Neu aufgenommen wurde ein Schüler; die Schülerzahl betrug 21 und zwar 10 Mädchen und 11 Knaben.

Der furchtbare Weltkrieg, den der 1. August des Schuljahres brachte, soll an dieser Stelle nur hinsichtlich seiner Eindrücke und Folgen für die hiesige israel. Gemeinde betrachtet werden. Der 1. August (Tag der Kriegserklärung gegen Rußland 2. August) war der Sabbat.

Noch immer hatte man mit einer friedlichen Beilegung des Konfliktes gerechnet, als plötzlich, nachmittags gegen 7 Uhr, der Befehl der Mobilmachung bekannt gegeben wurde. Furchtbare Erregung hatte sich aller bemächtigt; der Ernst der Stunde lag auf allen; aber trotz aller inneren Aufregung über den es aufgezwungenen Krieg, eine zuversichtliche Ruhe! Der Gedanke, daß nun jeder seine Kraft in den Dienst des Vaterlandes zu stellen habe, vereinte alle Stände, alle Konfessionen. Beim Ausgang des Sabbats (sabbattlichen) Abendgottesdienst (Vorabend des Tages der Zerstörung Jerusalems; nationaler jüdischer Trauer und Fasttag) als die ersten wehmütigen Klänge (Klagelieder Jeremias) das Gotteshaus durchzitterten, gab mancher seine inneren Erregung durch Tränen Ausdruck. So andachtsvoll, mit solcher Ergriffenheit wurde wohl noch nie an einem solchen gebetet. Auch der Morgengottesdienst am folgenden Sonntag, mit seinen tiefsinnigen Trauergebeten um den Fall Jerusalems, stand ganz unter der Weise des ernsten Tages, als dem erstern Mobilmachungstage, der uns zuversichtlich auf S. Majestät, unseren erhabenen Kaiser und dessen braves, tapferes Heer blicken ließ. Für den 5. August, für welchen allerhöchst ein allgemeiner Bettag angeordnet war, wurde zugleich ein synagogaler Gottesdienst bestimmt. Kein Gemeindemitglied fehlte bei demselben. Nach dem Minchagebet machte der Lehrer in einer Ansprache auf den furchtbaren Ernst der Zeit, auf die Opfer, welche dieselbe von uns verlangt, auf die heilige Pflicht des innigsten Gottesvertrauens aufmerksam. "Mit Gott für Kaiser und Reich" war das Leitmotiv seiner Ausführungen, die eine seelische Ergriffenheit hervorriefen, wie sie das Gotteshaus seit seinem über 70jährigen Bestehen wohl noch nie gesehen. Der Vortrag von Psalm 3, 13, 43, 120, 121, sowie das Kaisergebet vor geöffneter Lade beschlossen die denkwürdige Feier. In das Kaisergebet wurden für die Kriegszeit nach Anordnung des Landesrabbiners die Worte eingeschaltet: "Mit tiefer Inbrunst beten wir zu Dir, dem Lenker der Geschicke aller Menschen und Völker. In dieser ernsten Zeit bist Du unser Fels und unser Hort. Schütze unser tapferes Heer und alle, die dem Dienste des Vaterlandes ihre ganze Kraft weihen. Die Liebe zu unserem Vaterlande, die Liebe zu Dir, allmächtiger und Allgütiger, erfülle uns alle, auf daß jedes Herz voll sei des Gottvertrauens und der Zuversicht. Dein ist die Macht und die Stärke, Dein ist der Sieg und der Frieden, auf Deine Hilfe harren wir." Während der Kriegszeit wurden für den Gottesdienst in unserer Gemeinde noch folgende Anordnungen getroffen. Im Gebet wird eingeschaltet. Nach jedem wöchentlichen Gottesdienst gelangen 5 Psalmen in fortlaufender Reihe, sowie Psalm 43, 120, 121 zum Vortrage. Am Sabbat werden vor die sogenannten Sabbatpsalmen 120-150 vorgetragen und vor dem Einheben, noch folgendes Kriegsgebet eingeschaltet:

"Dich, o himmlischer Vater, der du einst segnetest unsere Stammesväter Abraharn, Isaak und Jakob, wir bitten Dich aus der Tiefe unseres Herzens, daß Du mit Deinem Erbarmen und mit Deiner Gnade auch hüten, schützen und segnen mögest all die tapferen Krieger, die dem Rufe unseres geliebten Kaisers folgend, auf dem Felde der Ehre kämpfen für unser teueres Vaterland. (Nach den ersten großen Erfolgen wurde eingeschaltet: Wir danken Dir, dem Lenker der Schlachten, aus dankbarem, tiefbewegtem Herzen für die bisherigen reichen Erfolge, die unsere tapferen Krieger in heißen Schlachten für unsere gerechte Sache errungen haben.) 0, sei doch ferner mit ihre Fahnen, führe sie zu schnellen und glücklichen Siegen. Werde das Herz unserer Feinde, daß bald die Waffen wieder ruhen und ein beglückender, vom Ruhm gekrönter Sieg uns beschieden sei. O, laß doch bald gesund und unversehrt den Gatten zur Gattin, den Sohn zu seinen Eltern, den Vater zu seinen Kindern zurückkehren. Und wo es Dein unerforschlicher Ratschluß ist, Wunden zu schlagen, da stärke die Schwachen, heile die Kranken, schenke Trost den Trauernden, richte auf die Gebeugten. Denn nur Du allmächtiger bist uns der einzige und wahre Trost in der Stunde der Not und Gefahr. Hilf, schütze und segne uns alle, für jetzt und immerdar. Amen !

Am 8. August traten die Vorstände der hiesigen israel. Wohltätigkeitsvereine zusammen und faßten folgenden einstimmigen Beschluß: Der israel. Frauenverein spendet für das "Rote Kreuz" 250 M.. Der Verein zur Ausstattung armer Bräute spendet für denselben Zweck die gleiche Summe und Männer- sowie Jünglingsverein spenden zur Unterstützung hiesiger Krieger im Felde für ihnen zu sendende Liebesgaben 1oo M.. In der Synagoge wurde eine Büchse aufgestellt. deren Inhalt gleichfalls Züz humanitäre Kriegszwecke Verwendung finäen sollte. Beim Ausrvrem zur Thora wurdest fast sämtliche Spenden als Kriegsspenden verwandt. Außerdem wurden dem isr. Lehrer, als Mitglied der städtischen Liebesgabenkornmission namhafte Beiträge hiesiger israelitischer Gemeindemitglieder übermittelt.

Beim Schluß des Schuljahres beliefen sich die gesamten Kriegsspenden, die die hiesige israel. Gemeinde geleistet hatte, auf cir. 2500 M. (Zweitausendfünfhundert). Dieselben wurden zum größten Teil an die hiesige Stadtkasse für Kriegsunterstützungen abgeführt. Außerdem erhielten aus dem hiesigen israel. Kriegsfond die hiesigen jüdischen Krieger aus ... und Purim Liebesgaben ins Feld geschickt.

Verzeichriis der einberufenen jüdischen Krieger hiesiger Gemeinde

1. Leopold Plaut, Sohn des Herrn Karlmann Plaut

2. Max Plaut, Sohn desselben - gefallen am

3. Julius Naschelsky, Sohn des David Naschelsky, ausgezeichnet mit der "Roten Kreuz Medaille", dem österreichischen Verdienstkreuz.

4. Siegfried Lilienfeld, Sohn des Meyer Lilienfeld

5. Julius Lilienfeld, Sohn desselben

6. Alfred Engelbert, Sohn der Witwen Engelbert

7. Siegfried Engelbert, Sohn derselben

8. Viktor Adler, Sohn des Kaufmann Adler, ausgezeichnet, mit dem Eiserne Kreuz II, gefangen in Rußland am ...

9. Albert Adler, Sohn desselben

10. Aron Hahn, Sohn des Lassar Hahn

11. David Hahn, Sohn des Levi Hahn

12. Siegfried Hahn, Sohn desselben

13. Dagobert Plaut, Sohn des Markus Plaut

14. Fritz Plaut, Sohn desselben, ausgezeiehnet mit dem Eisernen Kreuz II Cl.

15. Meyer Löwenstein, Sohn des Nathan Löwenstein

16. Julius Weiler, wurde verwundet in Frankreich am ...

17. Leopold Katz, Sohn des David Katz

18. Leopold Katz, Sohn des Ruben Katz

19. Wallach, einberufen am 17. Juli 19I5

20. Leopold Mansbach

21. Louis Kander

22. Julius Sauer

23. Arthur Hohenberg

Neben den alljährlichen patriotischen Gedenktagen wurden auch die hervorragenden Siege des Weltkrieges in vaterländischer Weise gefeiert. Am 7. Nov, fiel von 10-12 Uhr der Unterricht wegen der Einnahme von Lodz aus. Der Lehrplan konnte nicht immer streng eingehalten werden, da fast der gesamte Unterricht fast stündlich auf den Weltkrieg Bezug nahm und mit diesem in engste Verbindung gebracht wurde. Schulprüfungen fanden im Schuljahr nicht statt. Durch Stellenwechsel des Herrn Kreisschulinspektors Pfarrer Ritter in Elben wird die Schule einer anderen Inspektion unterstellt. Das Schuljahr schloß mit dem 28. März. Entlassen wurden eine Schülerin und ein Schüler.

Von Herbst 1915 ab wurde die israelitische Schule vorläufig aufgehoben. Lehrer Perlstein wurde zum Unterricht an der Stadtschule herangezogen. In dieser Stellung wirkte er bis Ostern 1919.

Schuljahr 1919/20

Die Schule wurde von 10 Schülern besucht. Was von 1920-1928 sich ereignete, fällt der Vergangenheit anheim, der mein Amtsvorgänger Perlstein aus bestimmten Gründen, wie er mir erklärte, dieselben Nachrichten tilgte.

H. Stern, Lehrer

Anmerkungen: Zwischen S. 36 und 37 sind mehrere Seiten aus der Chronik herausgerissen.

Schuljahr 1928/29

Im Februar 1928 wurde Lehrer Perlstein pensioniert. Ab 1. Juni 1928 wurde Lehrer Sterz, bisher in Niedenstein durch Verfügung der Regierung vom 29.5.28, B IV, No.3592 II zum Nachfolger ernannt. Lehrer Perlstein konnte sich der wohlverdienten Ruhe nicht lange erfreuen. Ende Juli siedelte er nach Berlin über, um dort seine Pensionsjahre zu ve-leber. Doch das Geschick wollte es, daß der Schnitter Tod am 31. Oktober 1928 seinem Leben ein Ziel setzte.

Was die Gemeinde und sonstige Organisationen durch das Hinscheiden dieses Kollegen verloren habe, sei in folgende Nachrichten zum Ausdruck gebracht.

Anmerkung: Es folgen auf den Seiten 38 und 39 zwei Todesanzeigen und Zeitungsberichte aus dem "Kasseler Tageblatt", aus der "Israelischen Familienblatt;" und aus der "Jüdische Wochenzeitung" zu Kassel.

Am 11. August 1928 wurde die Feier des Verfassungstages in würdiger Weise begangen.

Am 29. Oktober wurde des Dichters Walter von der Vogelweide gedacht.

Am 22. Januar 1929 wurde zum 200. Geburtstag des Dichters Lessing gedacht.

Am 24. Febr. 1929 wurde auf die Bedeutung des Volkstrauertages hingewiesen.

Am 17. März 1929 prüfte der Herr Landrabbiner Dr. Walter in Religion.

Schuljahr 1929/30

Am 31. März verlassen 2 Schüler die Schule. Die Schule wird z.Zt. von 11 Kindern besucht. Im vergangenen Schuljahr betrug die Schülerzahl 10. Neu aufgenommen wurden vorerst 2 Kinder. Ein Schüler wurde von der Schule zu Obervorschütz der israel. Schule zu Gudensberg überwiesen.

Am 10. Mai wurden vorerst 6 neue Schulbänke beschafft. Es war ein Freudentag für Lehrer und Schüler.

Am 11. August 1929 fand wie alljährlich die Verfassungsfeier statt. In einer Ansprache wurde auf die Bedeutung des Tages hingewiesen. Mit dem Liede "lch hab mich ergeben" schloß die Feier. Am Tage vorher fand auch in der Synagoge eine Feier statt. In einer besonderen Ansprache wurde auf die Bedeutung hingewiesen. Am 4.Sept. fand anläßlich der glücklichen Heimkehr des Zeppelin eine Schulfeier statt, in welcher auf die Bedeutung des Weltfluges hingewiesen wurde. Sonst war der Tag schulfrei. Durch Flaggen wurde auch nach außen hin der Bedeutung des Tages Rechnung getragen.

Am 16. März wurde in der letzten Unterrichtsstunde auf die Bedeutung Des Volkstrauertages hingewiesen.

Schuljahr 1930/31

Von 11 Kindern verließ ein Knabe zwecks Besuchs der höheren Schule am Orte die Schule. Ein Kind wurde wieder aufgenommen. Die Schülerzahl beträgt also 11.

Am 1. Juli 1930 fand anläßlich der vollständigen Räumung des Rheinlandes eine Feier statt.

Am 11. August fand eine Verfassungsfeier statt.

Anmerkung: Am unteren Rand dieser Seite ist mit dem Datum vom 12. 11. 30 vermerkt: gesehen, Unterscbriftskürzel.

Am 18. Januar wurde der Reichsgründung (60-jährige Wiederkehr des Tages) gedacht.

Schuljahr 1931/32

14 Kinder besuchen die Schule.

Am 29. Juni wurde aus Anlaß des 100jährigen Todestages des Freiherrn vom Stein eine Schulfeier veranstaltet. Nachdem von Seiten des Lehrers aus des großen Reformers gedacht war, führten die Kinder zum Gedächtnis ein Theaterstück auf, in dem Steins Verdienste gewürdigt wurden. Mit dem Liede "Ich hab' mich ergeben" schloß die Feier.

Am 12. August fand die Verfassungsfeier statt. Sie stand im Zeichen des Freiherrn vom Stein.

Ein Kind mußte wegen nicht erreichter Schulreife zurückgewiesen werden. Es besuchen somit noch 13 Kinder die Schule.

Am 21. Februar 1932 wurde in der letzten Stunde auf die Bedeutung des Volkstrauertages hingewiesen. Nach einer Ansprache seitens des Lehrers erfolge der Vortrag des Gedichtes "Für uns". Mit dem Liede vom guten Kameraden schloß die Feier.

Am l5. März prüfte Herr Landrabb. Dr. Walter in Religion.

Am 27. März fand die Goethefeier statt, an welcher auch die Eltern sich beteiligten. Gedichte, Sprechchöre und eine Ansprache des Lehrers umrahmten die Feier.

Am 31. März fand anläßlich des 200. Geburtstages von Joseph Haydn eine Feier statt. Den Kindern wurde Gelegenheit geboten, im Radio Werke des große Meisters zu hören.

1932/33

Von 13 Kindern verließen 5 die Schule. Davon besuchen 3 Kinder die höhere Privatschule in Gudensberg. Ein Schüler verläßt die Schule um die israel. Volksschule in Emmerich zu besuchen. Durch Wegzug einer Familie verläßt noch ein Kind die Schule. Es verbleiben also noch 8 Kinder. Dazu kommen 2 Schulneulinge. Im neuen Schuljahr wird die Schule somit von 10 Kindern besucht.

Am 17. Juni wurde im. Musikunterricht Zelters gedacht.

Am 10. August fand im der letzten Stunde eine Verfassungsfeier statt.

Am 15., 16., 17., 18. und 19. August fiel der Unterricht von 11 Uhr an wegen allzu großer Hitze aus.

Am letzten Schultag vor dem Herbstferien, am 9. Okt. fiel der Unterricht infolge des 85. Geburtstages des Herrn Reichspräsidenten aus. Es fand eine schlichte Feier, in der auf die Bedeutung dieses Tages hingewiesen wurde. Am 2. Oktober wurde auch im Gotteshaus des Ereignisses gedacht und geflaggt.

Am 10. März wurde aus Anlaß des Volkstrauertages der Gefallenen gedacht.

Am 8. März fiel infolge des Wahlsieges der Regierungsparteien der Unterricht aus.

Arn 21. März fiel aus Anlaß der Reichstagseröffnung der Unterricht aus. (Nationalfeiertag)

1933/34

Es verläßt kein Kind die Schule. Vier Neuaufnahmen fanden statt. Somit besuchen 14 Kinder die Schule. Der Schüler Lothar Oppenheimer, bisher Schüler der höheren Privatschule am hiesigen Orte, besucht wieder die israel. Volksschule. Dennoch beträgt die Zahl der Schulkinder 15.

Lt. Verfügung der Regierung wurde ich ab 1. Mai beurlaubt. Ich erteile von da an nur noch den Religionsunterricht. Schweren Herzens heißt es nun Abschied nehmen von der mir so lieb gewordenen Tätigkeit. Die Hoffnung wieder in den Dienst zu kommen, hat sich leider zerschlagen; denn lt. Verfügung des Ministers für W. K. u. U. wurde ich nebst den anderen jüdischen Kollegen unseres Hessenlandes in den Ruhestand versetzt. Damit ist der Schlußstrich gezogen unter ein Kapitel Schulgeschichte.

H. Stern


Mit dieser Verfügung endet die Schulgeschichte: