Königliches Decret vom 27sten März 1809, welches die Art und Weise

bestimmt, wie bey den Eiden der Juden zu verfahren ist.

(Weitere napoleonische Decrete und Verordnungen im Königreich Westphalen unter:

Rolf Willmanns; www.amshausen.de)



Wir, Hieronymus Napoleon, von Gottes Gnaden und durch die Constitution,

König von Westphalen, französischer Prinz etc. etc.

Haben, nach Ansicht des 10ten Artikels der Constitution vom 15ten November 1807, welcher verordnet, dass das Königreich Westphalen durch Constitutionen regiert werden soll, welche die Gleichheit aller Unterthanen vor dem Gesetze, und die freye Ausübung des Gottesdienstes festsetzen;

Wie auch nach Ansicht Unseres Decretes vom 27sten Januar 1808, welches denjenigen Unserer Unterthanen, die der Mosaischen Religion zugethan sind, dieselben Rechte und Freyheiten ertheilt, die Unsere übrigen Unterthanen genießen;

auf den Bericht Unseres Ministers der Justiz;


nach Anhörung Unseres Staatsrathes;


Verordnet und verordnen:


Art. 1. In allen Fällen, wo zufolge des Vten Abschnitts, Buch III Capitel VI des Gesetzbuchs Napoleons, wie auch des 2275sten Artikels des gedachten Gesetzbuches, ein gerichtlicher Eid statt findet, soll zwischen Juden und Christen kein Unterschied gemacht werden.


Art. 2. Die verschiedenen Förmlichkeiten, welche an manchen Orten bey der Eidesleistung der Juden bisher beobachtet wurden, sind hiermit abgeschafft.


Art. 3. Sie sollen, sowohl wenn sie in ihren eigenen Sachen einen Eid leisten, als wenn sie ein Zeugnis im Gerichte ablegen, den Eid, die Hand auf die Bücher Moses gestützt, mit bedecktem Haupte ausschwören, indem sie auf diese Weise ihre Gebete und Gelübde an Gott richten. Es soll zu diesem Ende ein Exemplar der Bücher Moses in hebräischer Sprache gebraucht werden, welches das jüdische Consistorium dem Appellationshofe, den Criminal-Gerichtshöfen und jedem Tribunale erster Instanz liefern wird.


Art. 4. Die Formel ihrer Eide soll seyn:

"Ich schwöre vor Gott, dem Allmächtigen, dem Schöpfer des Himmels und der Erde, ohne Vorbehalt und sträfliche Auslegung der Worte, dass………….. so wahr mir Gott helfe. Amen"

Art. 5. Vor der Abnahme des Eides muss der Richter den Schwörenden an die Wichtigkeit und Heiligkeit des Eides, nach Inhalt des von dem jüdischen Consistorium angegebenen und dem gegenwärtigen Decrete beygefügten Formulars, erinnern.


Art. 6. Unser Minister der Justiz ist mit der Vollziehung des gegenwärtigen Decretes, welches in das Gesetz-Bülletin eingerückt werden soll, beauftragt.


Gegeben in Unserm Königlichen Pallaste zu Cassel,


am 27sten März 1809, im dritten Jahre Unserer Regierung.


Unterschrieben:
Hieronymus Napoleon


Auf Befehl des Königs.

Der Minister Staats-Secretair

Unterzeichnet: Graf von Fürstenstein

 

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Warnung vor dem Meineide, welche der Richter dem Israeliten, der schwören will, unmittelbar vor der Abnehmung eines gerichtlichen Eides vorhalten soll, nachdem er ihm bemerklich gemacht hat, dass diese Ermahnung von dem Consistorium der Israeliten abgefasst sey.

Jeder ist schuldig, der Obrigkeit die Wahrheit zu sagen. Begehrt sie es, so muss man sogar seine Behauptung mit einem Eide bekräftigen.

Derjenige Israelit also, welcher die Macht der christlichen Obrigkeit in jener Hinsicht bezweifeln oder etwa wähnen wollte, ihn bände nur ein solcher Eid, welchen er in die Hände eines Rabbiners oder eines Lehrers seiner Religion leistete, würde die Staatsgewalt verkennen; er würde sich dem Gehorsam entziehen, den er dem Könige und den Gesetzen schuldig ist; er würde gewaltsam eine Verbindung auflösen, deren Beybehaltung eben so sehr sein Vortheil als seine Pflicht erheischt; er würde sogar eines Verbrechens gegen seine Glaubensgenossen sich schuldig machen, denn er lüde den Verdacht auf sie, als widerstrebten sie feindselig der Beobachtung der allgemeinen Gesetze.

Der Israelit, welcher demnach in Gerichten etwas Unrichtiges beschwört, oder auch, indem er den Eid ablegt, etwas Anderes zu beschwören denkt, als dasjenige, was seine dann ausgesprochenen Worte sagen, begeht einen Meineid, entheiligt also freventlich den Namen Gottes.

Der Meineid ist eins der schrecklichsten Verbrechen, deren sich der Mensch nur schuldig machen kann; denn es wird gegen die Gottheit unmittelbar begangen. Die ganze sittliche Welt beruht (wie die Rabbinen sich ausdrücken) auf dreyerley; auf Recht, Wahrheit und Frieden.

Ungerechtigkeit und Lügen sind schon an sich selbst strafbare Handlungen, indem sie die Zerrüttung der sittlichen Welt zur Folge haben; bei einem Meyneide aber kommt der Frevel hinzu, dass der Meineidige den Gott der Wahrheit zum Zeugen der Unwahrheit, den Gott der Gerechtigkeit zur Bestrafung der Ungerechtigkeit auffordert, und also den Namen des Allerhöchsten bey einer sehr schändlichen That missbraucht; auch wurde die ganze Welt erschüttert, als auf dem Berge Sinai die Worte ertönten:

"Du sollst den Namen des Ewigen, deines Gottes, nicht missbrauchen."

Wähnt auch nicht, den Allmächtigen zu täuschen! Gott ist allgegenwärtig; das Ohr des Ewigen vernimmt Alles; sein Auge schlummert nie; er durchschaut die geheimsten Tiefen des Herzens.

Wenn jeder andere Verbrecher durch Busse und Sinnesänderung von der Strafe Gottes sich befreyen kann, so darf doch der Meineidige, auch von der stärksten Busse, keine Vergebung hoffen; denn es heißt ausdrücklich:

"der Ewige, dein Gott, wird denjenigen nicht unbestraft lassen,

der seinen Namen zu einer Unwahrheit missbraucht."

Bey einem jeden andern Verbrechen trifft die Strafe nur den Sünder und die Mitschuldigen, oder die, welche das Übel hätten verhindern sollen; bey einem Meineide aber leidet die ganze Familie des Verbrechers, denn die vorsätzlich beleidigte Allmacht will rächen bis ins dritte und vierte Glied.

Beym Propheten Zacharias sagt der Ewige:

"ich will den Fluch hervorbringen, denn er soll kommen über das Haus des Diebes

und über das Haus derer, die bey meinem Namen fälschlich schwören, und soll

bleiben in ihrem Hause, und Alles verzehren samt Holz und Stein."

Mögen auch diese Strafen einige Zeit verschoben bleiben; früh oder spät folgen sie doch unfehlbar. Der Wurm des Gewissens des Meineidigen zernagt sein Innerstes, und stirbt nie. Jedes Glück, jedes Vergnügen, jede Freude dieses Lebens ist für ihn dahin, und die größten Qualen harren seiner für die Ewigkeit. Welcher Sterbliche wollte, für einen zeitlichen Gewinn, für einen Vortheil, den der nächste Morgen schon entreißen kann, den Zorn des Allmächtigen und seine endlose Rache auf sich laden? Nein! Allmächtiger! fern sey ein solcher Gedanke von diesem deinem Geschöpfe!

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Ist der Eid, welcher geleistet werden soll, ein Entscheidungseid, so fährt der Richter fort:

"Wisst, dass ihr den Eid nicht nach eurem Sinne oder nach eurer Auslegung, sondern

nach der Meinung schwören müsst, welche wir mit den Worten verbinden! Bedenkt wohl,

dass der Allmächtige Euch vor sein Gericht rufen wird, und antwortet jetzt:…………..

Seyd ihr noch gesonnen, den Eid auszuschwören?

Wird die Frage bejaht; so wendet sich der Richter zu dem Gegner, und ermahnt ihn, den Eid zu erlassen, indem er ihm vorstellt, dass derjenige, der gegen besseres Wissen die Beschwörung dessen, was wahr ist, fordert, den Namen Gottes missbrauche, und dass der Allmächtige dies an ihm strafen werde.

 

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