No. XXXV. Bescheid, an das Preußische Hof-Gericht,

über die Jurisdiction des dasigen Rabbi.

Berlin, den 5ten Junii 1757


Friederich, König in Preußen etc.


Unsern Gruß zuvor.


Aus Eurem allergehorsamsten Berichte vom 26ten Februar dieses Jahres und denen dabey eingesandten hierneben wieder zurückgehenden Acten sind diejenige Juristiction-Differenzien des mehreren zu ersehen gewesen, welche sich, im verwichenem Jahre, zwischen dem dasigen Rabbiner, hervorgethan haben.


Gleichwie es nun bey solchen hauptsächlich, auf die Beantwortung der von Euch Unserer dortigen Cammer vorgelegten und fol. 48 & 49 Actorum befindlichen Fragen ankommt; so haben Wir, zu solchem Behufe, und damit Ihr, auch in andern dahin einschlagenden Fällen, eine gewisse normam haben möget, die in Abschrift angeschlossene Principia entwerfen lassen, welche Wir überall approbieret, und aus selbigen nur gedachte Fragen hiermit folgender gestalt entscheiden:


1.

Dass, in so fern einem Rabbi ein Arbitrium oder Cognition, in Streitigkeiten zwischen Juden unter sich, nachgegeben worden, solches, ohne Bedenken, auf fremde sowohl als einheimische Juden, sich erstrecken könne.


2.

Hätte billig das Privilegium des dortigen Rabbi ad. aa. genommen werden sollen: Weil aus solchem diese Frage sich selbst entscheiden muss. Inzwischen erhellet aus demjenigen, was die Krieges- und Domainen-Cammer berichtet, so viel, dass ihm die Cognition in Geld- und Schuld-Sachen, so unter zehen Reichsthaler gehen, darin nicht eigentlich verschrieben sey, mithin kann er sich auch solcher nicht anmaßen: Weil dergleichen im General-Privilegio von 1750. keinem Rabbi beygeleget, und was nachher im Jahre 1751. dem hiesigen per speziale privilegium verschrieben worden, nicht auf andere zu extendieren ist; eben so wenig kann er in dergleichen kleinen Handlungs-Sachen erkennen: Weil solche nur alsdann zu obgedachten kleinen Geld- und Schuld-Sachen zu rechnen sind, wenn ihm in diesen eine Cognition beygeleget worden. Wenn aber Unsere dortige Cammer vermeynet, dass ihm wenigsten zukomme, permodum pactum & compromissi zu erkennen: so kann solches um so viel weniger statt finden, als die, im General-Privilegio am 31. seinem Arbitrio überlassen Sachen, die Geld- und Schuld-Sachen keineswegs mit unter sich haben, und man dem Rabbi dasjenige nicht wieder einräumen muss, was von seinem Arbitrio ausgeschlossen geblieben, und ihm, zu Extendierung seiner Cognition, nachzulassen, gar nicht ratsam ist.


3.

Kann zwar derselbe in Injurien-Sachen die Parteyen vergleichen, einer rechtlichen Erkenntnis oder Bestrafung darin aber kann er sich keineswegs anmaßen: Weil ihm solche so wenig im General – als Special-Privilegio zugestanden worden; sondern er muss in Entstehung der Güte, die Sache an das ordentliche Forum verweisen, es sey dann, dass solche Injurien, wegen Ritual-Sachen, so in der Synagoge oder in einer Privat-Schule, wo dergleichen zu halten erlaubt ist, vorgefallen wären; jedoch dass alsdann, wenn jemand in einer Geld-Busse, welche über 5 Reichsthaler gehet, verurteilet werden soll, solches jedesmal, nach Maßgebung des General-Privilegii Art. 31. mit Vorwissen der Obrigkeit jedes Orts geschehen müsse; dafern aber ein dergleichen Straffälliger sich widerspenstig bezeigen, und die ihm auferlegte Strafe, welche nicht über 5 Reichsthaler seyn muss, nicht erlegen wollte; so hat der Rabbi solches bey der Regierung oder Magistrat und Gerichten jedes Orts anzuzeigen, und diese demselben dazu alle hülfliche Hand zu leisten.


4.

In Ansehung des modi procedendi, so kann darin, weil und wenn dem Rabbi nur geringe Sachen zur Cognition nachgelassen sind, kein schriftlicher Process, sondern nur ein summarisches statt finden, wobey die Parteyen mündlich ad Protocollum zu vernehmen, der Bescheid von dem Rabbi ordentlich abzufassen und zu publicieren, die Protokolla und Acta eine von den andern wohl zu separieren, und übrigens von allen Sachen eine ordentliche Registratur zu halten. Die Zuziehung der Ältesten ist auch daher umso vielweniger zu gestatten, als sonst solches auf eine ordentliche Gerichts-Sitzung herauslaufen dürfte, welche aber der Absicht des General-Privilegii keineswegs gemäß ist, noch gemäß seyn kann. Jedoch bleibt hiervon der einzige Fall in Ritual-Sachen ausgenommen, welcher daher auch im General-Privilegio ausgedrucket ist, und bey welchen die Ältesten zuzulassen sind. Übrigens aber und


5.

hat der Rabbi gar keine Gerichte, und es lässt sich solches aus der ihm und denen Ältesten nachgelassenen Cognition in Ritual-Sachen keinesweges herleiten, mithin können die letztere auch nicht als ordentliche Gerichts-Beysitzer angesehen werden. Vielmehr muss der Rabbi alles, was er nach seinem Privilegio zu thun berechtigtet ist, allein verantworten, und kann seinen Ältesten kein vorum pronunciativum feu numerativum zugestanden werden: Weil anderergestalt es ebenfalls am Ende auf eine ordentliche Gerichtshaltung hinauslaufen würde. Dahero auch die hiesige gelehrte Assessores nur dazu bestimmt sind, damit der Rabbi die jüdischen Gebräuche und Ceremonien mit ihnen überlege, dahingegen an andern Orten, wo dergleichen nicht vorhanden, nicht einmal angenommen werden müssen.


6.


Über die 6te Frage ist bereits in dem mehr alegierten 31. Artikel des General-Privilegii verfüget, dass die Parteyen sich über den Ausspruch des Rabbiners, per modum simplicis querelx, bey dem Rechts-Foro superiori beschweren können, und es verstehet sich dabey von selbst, dass, wenn eine oder andere Partey in denen allda benannten Successions- und übrigen in die Landes-Gesetze einschlagenden Fällen, mit der arbitrarischen Erkenntnis des Rabbi, welche, wie bereits oben gedacht, deutlich abgefasset seyn muss, nicht zufrieden ist, ad forum & quidem superius, ohne an ein kurzes fatale gebunden zu seyn, jedoch dass es wenigstens binnen zwey Monat geschehe, provociren, imgleichen bey illegalen Inventierungen, Theilungen und Bevormundungen sich daselbst beschweren könne, worauf dann das Judicium superius acta von dem Rabbiabfordern, und in der Sache rechtlich erkennen muss. Falls auch einem Rabbi in seinem Special-Privilegio eine Cognition und Entscheidung in geringen Geld- und Schuld-Sachen beygeleget seyn sollte; so müssen doch solche, in Ansehung des zwischen denen Parteyen streitigen Interesse, sich nicht über zehn Reichsthaler belaufen.


7.

Kann keinem Rabbi; weil er keine ordentliche Jurisdiction hat, eine Executions-Vollstreckung zugestanden werden; sondern er muss darum den ordentlichen Richter der Juden in Justitz-Sachen requirieren, und dieser vollstrecken lassen; wenn nämlich in denen Sachen, so per modum arbitrii abgemacht worden, zwey Monat verflossen, in denen übrigen der Cognition des Rabbiners überlassenen Sachen aber, binnen zehen Tagen nicht ad forum susperius provozieret worden ist, und bedarf es in solchen Fällen nicht erst einer Bestätigung a judice superiore.


8.

Die 8te Frage erledigt sich dadurch, dass, gleichwie denen Parteyen unbenommen ist, sich unter sich zu vergleichen, zu solchem Vergleiche Zeugen zu nehmen und denselben schriftlich aufzusetzen, also auch solches von dem Rabbi geschehen, auch ebenergestalt.


9.

Der Vergleich von ihm verlautbaret, und mit der Würkung niedergeschrieben werden könne, dass die Parteyen daraus, zu dessen Erfüllung, verbunden sind; Wie dem auch


10.

denen jüdischen Parteyen wohl frey stehet, unter sich selbst eine poenam conventonalem zu setzen, der Rabbi hingegen solche zu versagen, eben so wenig befugt ist, als über die Frage: Ob, gegen Erlegung derselben der Vergleich aufgehoben oder gehalten werden solle? rechtlich zu erkennen; sondern vielmehr solches in foro ordinario superiori ausgemacht werden muss.


11.

Endlich erhält die 11te Frage aus der Entscheidung der vorhergegangenen ihre hinlängliche Erledigung; zumal wenn die Rabbiner sich darnach genau zu verhalten angewiesen, und zugleich bedeutet worden, dass sie, wenn sie sich nicht darnach achten, oder Illegalitäten begehen sollten, jederzeit unausbleibliche rechtliche Ahndung und Bestrafung von dem Judice superiore zu gewärtigen haben sollen.



Ihr habt also hiernach den dortigen Rabbiner und Judenschaft, wie nicht wenige die Unter-Gerichte gehörig zu bescheiden, und wird Unsere dortige Cammer, auf gleichen Fuß, aus Unserm General-Directorio instruieret werden.



Sind gegebne zu Berlin den 5ten Junii 1757


ad Mandatum.


von Jariges



An das Preußische Hof-Gericht


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